Berliner Festspiele: Tanztreffen der Jugend, Praxisworkshop: Wem gehört der Raum? / Reclaim Kotti: Position beziehen (23.9.-24.9.2017)

Die diesjährigen Praxis-Workshops stellen den Raum und dessen Wirkung, Nutzung und Bedeutung im choreografischen und gesellschaftlichen Kontext in den Fokus. Hier ist der Umgang mit Raum innerhalb der Choreografie genauso gefragt wie der Raum, den eine Inszenierung zwischen Betrachter*in und Performer*in kreiert und Distanz oder Nähe zwischen Menschen schafft. Einen besonderen Platz nimmt in den Praxis-Workshops die Arbeit im sogenannten „öffentlichen Raum“ ein. Hier ist der architektonische und raumplanerische Bezug ebenso wichtig wie Fragen danach, wer Räume gestaltet und deren Bedeutung bestimmt, wer Zugang zu Räumen hat und welche Freiräume gegeben oder auch genommen werden. Insbesondere in diesem Kontext verhandeln der Raum und dessen künstlerische Nutzung einen gesellschaftspolitischen Aspekt, den wir in den Workshops ebenfalls aufgreifen wollen. Hierzu sind mit Diana Wesser, Christine Scherzinger und Jörg Lukas Matthaei gleich drei Workshopleiter*innen mit unterschiedlichen künstlerischen bzw. wissenschaftlichen Hintergründen eingeladen, die ihre jeweiligen Herangehensweisen mit den Teilnehmer*innen teilen und zur eigenen Erprobung einladen. Die Workshops führen uns an unterschiedliche Orte Berlins und finden im Außenraum statt.
Jasper Džuki Jelen und Jade van den Hout stellen in ihrer Lecture Performance „25 Feet“ die Abstände zwischen Performer*in und Betrachter*in ins Zentrum ihrer künstlerischen Forschung. Die Performance bildet den Einstieg zu diesem Praxis-Workshop und liefert einen Teil des Materials, mit dem im Anschluss experimentiert und kreiert wird.
Raum bzw. „space“ ist auch das Thema des Dramaturgie-Labors, das von Moos van den Broek und Aitana Cordero geleitet wird. Auf der Basis von theoretischen Impulsen und praktischen Übungen bietet der Workshop die Möglichkeit, die eigene Idee von Raum zu erweitern und dessen Bedeutung in der konzeptionellen Stückentwicklung kreativ zu nutzen.

Praxis Workshop II

Wem gehört der Raum? / Reclaim Kotti: Position beziehen
Mit Dr. Christine Scherzinger
SA 23.09.2017, 13:30 – 16:00
SO 24.09.2017, 09:30 – 16:00
Ort: Treffpunkt und Verpflegungsort wird noch bekanntgegeben, der Workshop findet im Außenraum (Kottbusser Tor) statt.
Arbeitssprache des Workshops ist Deutsch.

Das konstituierende Element in Tanz und Geografie ist der Raum. Raum verstanden als eigenständige Kategorie ist variabel. Im Tanz kann die Bühne bspw. ein Raum sein, der bespielt wird. In der Geografie hingegen kann der Stadtraum ein Spiel- und Beschäftigungsfeld werden. Die geografische Beschäftigung mit dem Stadtraum bedeutet meist eine Auseinandersetzung mit folgenden Fragestellungen, die im Tanz ebenfalls eine Rolle spielen könnten: Wem gehört der Raum? Wer hat Zugang zu bestimmten Räumen, welche Akteur*innen haben Macht über einen Raum? Wer produziert die Bilder und Vorstellungen eines Raums? Wer gestaltet einen Raum?
Die in Berlin lebende Stadtgeografin Christine Scherzinger stellt in diesem Workshop unterschiedliche geografische Ansätze und Methoden vor, die es ermöglichen, den öffentlichen Raum zu erfahren und sich anzueignen. In einem Austauschprozess mit den Teilnehmenden wird das geografische Methodenrepertoire um Praktiken aus den performativen Künsten erweitert. Dazu lädt Christine Scherzinger die Teilnehmenden ein, sich von der Bühne des Theaters an das Kottbusser Tor in Kreuzberg zu begeben. Direkt vor Ort werden Ansätze und Prinzipien der Raumaneignung erprobt: Der öffentliche und zugleich politische Raum wird zur Bühne, zum Forschungsfeld. Die Rollen werden gewechselt: Die Bewohner*innen werden zu Akteur*innen, die Teilnehmenden zu Beobachter*innen und zu Eingreifenden. Der kreative und experimentelle Umgang mit dem Stadtraum ermöglicht es, neue Erfahrungen im Umgang mit Raum zu sammeln, Widersprüche und Konfliktlinien aufzudecken, über den Alltag und die Bedürfnisse der Bewohner*innen mehr zu erfahren und möglicherweise eigene Vorstellungen zu hinterfragen. So können Grenzen und Möglichkeiten der Gestaltung und der Einflussnahme ausgelotet werden. Die Wahrnehmungen, Reaktionen, Positionen und Erfahrungen der Teilnehmenden werden dokumentiert. Ziel ist es, mit den gewonnenen Erkenntnissen eine Debatte anzustoßen, wie ein bewussterer Umgang mit Raum in die Arbeit mit Jugendlichen einfließen könnte.

Dr. Christine Scherzinger (DE) ist kritische Stadtgeografin. Sie lehrt seit 2009 Anthropogeografie an der Freien Universität Berlin, moderiert stadtpolitische Workshops, bietet Stadtführungen an und unterrichtet Kinder und Jugendliche. Sie forscht u.a. zu Zukunftsfragen urbaner Transformation und der Digitalisierung von Arbeits- und Stadtwelten. Sie bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Kunst und Geografie und arbeitet u.a. mit experimentellen und kreativen Methoden.

weitere Infos unter: https://www.berlinerfestspiele.de/de/aktuell/festivals/bundeswettbewerbe/tanztreffen_der_jugend/forum_tanz/forum_tanz_1.php

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